Chinesische Busse kosten Arbeitsplätze in den Niederlanden
Von Wim van der Leegte
Die 259 Elektrobusse, die im Regionalverkehr in den Provinzen Overijssel, Flevoland und Gelderland eingesetzt werden sollen, werden beim chinesischen Unternehmen BYD bestellt. Die bereits früher angekündigten 156 ebenfalls chinesischen Elektrobusse, die für die Verkehrsnetze Amstelland-Meerlanden und Haarlem-Ijmond bestimmt sind, werden von Ebusco geliefert, einem Importeur chinesischer Busse.
Natürlich hätte VDL Bus & Coach, der einzige Bushersteller der Niederlande und Teil unseres Familienunternehmens VDL Groep, diese 415 E-Busse gerne geliefert. Der Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass wir vor der endgültigen Zuschlagserteilung alle auferlegten Bedingungen erfüllt haben, sowohl was das Konzept als auch die Lieferfrist betrifft. Hierfür haben wir umfassende Garantien geleistet. In den Niederlanden sind insgesamt etwa 6.500 Stadtbusse im Einsatz. Unter Berücksichtigung eines Abschreibungszeitraums von 10 bis 15 Jahren ist der Markt für 2020 bereits größtenteils vergeben. Im kommenden Jahr besteht somit wenig Raum für unsere niederländischen Busse, obwohl unser Heimatmarkt für uns als europäischer Vorreiter auf dem Gebiet der Elektrifizierung des Schwerverkehrs von entscheidender Bedeutung ist.
Die Entwicklung von Elektrobussen ist Innovation auf höchstem Niveau. VDL hat sich mithilfe erheblicher Investitionen in die Forschung und Entwicklung weiterhin spezialisiert und vom Bushersteller zum Systemintegrator entwickelt. Wir stellen auch die Ladeinfrastruktur sowie die Stromversorgung, Wartung, Konnektivität und Schulungen zur Verfügung. Als Experte für die Energiewende sind wir über die Bestrebungen zur vollständig nachhaltigen Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs sehr erfreut.
Natürlich haben wir ein geschäftliches Interesse an der Lieferung von Bussen. Angesichts unseres Einsatzes für die Erhaltung von Arbeitsplätzen in der niederländischen Produktionsindustrie betrachten wir die Vergabe der genannten Konzessionen jedoch mit großer Sorge. Die Bestellung von Bussen aus China wird strukturelle Folgen für die Beschäftigung in den Niederlanden haben. In unserem Geschäftsbereich Busse in den Niederlanden und Belgien sind 2.600 Mitarbeiter beschäftigt und darüber hinaus werden verkaufsunterstützende Aktivitäten in 20 europäischen Ländern durchgeführt. Die 415 neuen chinesischen Busse, die in den Niederlanden zum Einsatz kommen, repräsentieren etwa 800 Jahre Arbeit. Dabei sind Fremdvergaben und die Forschungs- und Entwicklungsarbeit bei Zulieferern und Kompetenzzentren noch nicht berücksichtigt.
China liefert Waren im Wert von 35 Milliarden Euro an die Niederlande, während die Niederlande Waren im Wert von 10 Milliarden Euro nach China exportieren. Die Handelsbilanz ist also aus dem Gleichgewicht geraten und China kostet uns Arbeitsplätze. Wenn wir nicht mehr in den Niederlanden produzieren, gehen unsere Kenntnisse verloren und anschließend fließt das Kapital ab, was unseren Wohlstand schmälert. Ein Viertel aller Arbeitsplätze in den Niederlanden entfällt auf die Industrie oder steht damit im Zusammenhang. 70 Prozent unseres Exports hängen von der Industrie ab. Denkt man sich die niederländische Industrie weg, kann man sich die katastrophalen Folgen für die Niederlande unschwer vorstellen.
Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir einen Abbau der Handelsschranken in der Welt begrüßen, allerdings müssen in diesem Fall auch faire Wettbewerbsbedingungen herrschen. Abgesehen von den Größenvorteilen, den niedrigeren Löhnen und den vielfach gewährten staatlichen Beihilfen, ist es für China einfacher, nach Europa zu exportieren, als umgekehrt. Chinesische Unternehmen zahlen in Europa kaum Einfuhrabgaben für ihre Produkte, während europäische Exporteure mit erheblichen Einfuhrabgaben konfrontiert werden. Darüber hinaus reduziert China die Konkurrenz im Heimatmarkt und Unternehmen werden gezwungen, in China produzieren zu lassen und ihre Kenntnisse zu teilen. Von fairen Wettbewerbsbedingungen kann also keine Rede sein.
Indem die Tore für den Import chinesischer Produkte weit geöffnet werden, setzt Europa selbst unseren Wohlstand aufs Spiel. Nachdem schon der aufstrebende Markt für Solarenergie und die damit verbundenen Produktionstätigkeiten in Europa vom Angebot und der billigen Produktion aus China überflutet wurden, droht nun dem Elektrobus dasselbe Schicksal. Wir sollten nicht zweimal in dieselbe Falle tappen und fordern deswegen unsere Regierung dazu auf, sich in Brüssel für eine gemeinsame europäische Industriepolitik einzusetzen.
Im Falle der 259 chinesischen Busse konnten wir leider nicht auf die Unterstützung des Verantwortlichen der Konzession, der Provinz Overijssel, zählen, obwohl wir vor genau einem Jahr mit der Übernahme von Siemens Hengelo rund 450 Arbeitsplätze für die niederländische Industrie erhalten konnten. Bei unseren Unternehmen in Overijssel sind etwa 1.000 Arbeitnehmer beschäftigt und in den kommenden zwei Jahren werden wir mindestens 70 Millionen Euro in diese Region investieren. Insgesamt gehören 104 Konzerngesellschaften mit 17.110 Beschäftigten zur VDL Groep, von denen 85 Prozent (14.421 Beschäftigte) in den Niederlanden arbeiten.
Ein weiterer Aspekt, der eingehend diskutiert werden sollte, ist die Tatsache, dass Verkehrsunternehmen an Ausschreibungen teilnehmen und erst anschließend einen Buslieferanten auswählen. Der Buslieferant ist also von dem Verkehrsunternehmen abhängig, der sich seinerseits nach den Ausschreibungsbedingungen des Konzessionsgebers richten muss. Wenn dieser jedoch behauptet „das gehört nicht zu unserem Zuständigkeitsbereich“, ist nichts mehr zu machen.
Der eventuell niedrigere Einkaufspreis, der durch Beschaffung von Bussen chinesischer Hersteller erzielt wird, ist nichts im Vergleich zu dem Beitrag, den ein Auftrag zur niederländischen Wirtschaft leisten kann. Aufträge für niederländische Busse fließen in Form nachhaltiger Arbeitsplätze, von Körperschaftsteuern und Lohnabgaben, innovativen Ökosystemen durch Zusammenarbeit mit Hightech-Partnern und Kompetenzzentren sowie durch Beiträge zu den lokalen Gemeinschaften in die niederländische Wirtschaft zurück.
In der China-Strategie, die dieses Jahr präsentiert wurde, bemängelt die Regierung, China wende Handelspraktiken an, die den Wettbewerb verzerren und den Marktzugang einschränken, beispielsweise in Form unerwünschter staatlicher Beihilfen und durch erzwungenen und unerlaubten Zugang zu Technologien. Es bestehen auch Bedenken über den Umgang Chinas mit der Umwelt, den Menschenrechten, dem Arbeitsschutz und dem Datenschutz. In der neuen Strategie will die Regierung prüfen, inwiefern Anpassungen von Teilen des EU-Wettbewerbs- und Beihilferechts zu fairen Wettbewerbsbedingungen beitragen können.
Unterdessen werden jedoch, im Jahr der Präsentation der China-Strategie, in der faire Wettbewerbsbedingungen und eine Stärkung des Binnenmarkts angemahnt werden, 415 Elektrobusse chinesischer Herkunft angekündigt, die auf unseren Straßen fahren werden. Wer soll das noch verstehen? Uns bleiben nur die Emotionen. Dabei geht es nicht etwa um den Verlust von Aufträgen, sondern um die Zukunft unserer Mitarbeiter.
Wim van der Leegte ist Inhaber und Aufsichtsrat der VDL Groep